Bitte Bildschirm drehen
Please turn your device

Das Unmögliche möglich machen - die Niemeyer-Sphere in Leipzig

Als hätte ein Raumschiff angedockt: Eine Kugel aus schneeweißem Beton und Glas thront seit 2020 auf einem Industriegebäude in Leipzig. Es ist der letzte Entwurf des brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer. dechant hat das außergewöhnliche Kugelhaus realisiert.

Mit einem Brief gelang es dem Unternehmer Ludwig Koehnen, Chef der Leipziger Kirow-Werke, im Jahr 2011 den brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer für das Projekt zu gewinnen. Darin schreibt er, dass er einen hervorragenden Koch habe, der seine Kantine betreibt - aber, dass es an einem ansprechendem Restaurant fehle. Und so würde ihn wohl der Koch über kurz oder lang verlassen und seine Mitarbeiter bekämen nichts Gutes mehr zu essen. Der Brief aus Leipzig hatte Erfolg. Der damals 103-jährige Oscar Niemeyer, Wegbereiter der modernen brasilianischen Architektur und weltberühmte Architekturlegende, zückte den Stift und skizzierte etwas, das in der Umsetzung zunächst vollkommen utopisch erschien: eine freischwebende Kugel, die wie ein futuristisches Raumschiff an einer Gebäudeecke des denkmalgeschützten Leipziger Kesselhauses, auf dem Betriebsgelände der Kirow-Werke im Stadtteil Lindenau, andocken sollte.

Für die Umsetzung holten sich Oscar Niemeyer, sein langjähriger Mitarbeiter Jair Valera aus Rio de Janeiro und Auftraggeber Ludwig Koehnen den Leipziger Architekten Harald Kern mit ins Boot. Für die bauliche Realisierung des Projekts, das zu den spektakulärsten und in der Umsetzung diffizilsten dieser Tage gehört, wurde dechant hoch- und ingenieurbau beauftragt. In der engen Zusammenarbeit von Visionären, Architekten, Ingenieuren und Bauexperten wurde das eigentlich Unmögliche möglich gemacht: der Bau einer nahezu freischwebenden, kugelförmigen Skulptur mit doppelt geschwungenen Bauteilen und den Niemeyer-typischen Freiformkurven aus schneeweißem und hochglattem Beton.

Die teilverglaste Kugel mit einem Durchmesser von 12 Metern im rechten oberen Eck des Backsteinbaus trotzt scheinbar mühelos der Schwerkraft. Sie berührt - außer am Erschließungsschacht - an keiner Stelle das historische Gebäude. Im Inneren gibt es zwei Ebenen, die in zwei separaten Schritten geschalt und gebaut wurden, mit Bar und Restaurant. Von dort führt eine Schiebetür auf die Dachterrasse des historischen Bestandsgebäudes. Die Außenhaut der Niemeyer-Kugel besteht aus einer 20 cm dicken Schicht aus weißem Sichtbeton mit einer Innendämmung und zwei großen, harmonisch gerundet eingepassten Glashemispheren. Um Sonneneinstrahlung und Hitzeeintrag zu regulieren, wurden 144, teils verschieden große dreieckige Flüssigkristallfenster (Liquid Crystal Windows) verbaut, die sich in Sekundenschnelle von hell bis dunkel einstellen lassen.

Die Herausforderung bei der Herstellung der Kugelschale bestand auch darin, außen eine einheitliche Oberfläche in einem hellen Farbton ohne Verfärbungen zu erreichen. Vorab wurden Teilstücke zur Probe betoniert. Dabei testete man auch die Schalhautbehandlung und legte Bewehrungsführung und Rütteltechnik fest. Die Baustelle war während der Arbeiten an der Kugel von einem fahrbaren Gerüstdach geschützt. Um Verfärbungen zu verhindern, musste der Beton früh ausgeschalt und bis zum endgültigen Aushärten gestützt werden.

Die Niemeyer Sphere hat bereits heute Architekturgeschichte geschrieben und wurde mit hochrangigen Architekturpreisen ausgezeichnet. Oscar Niemeyer erlebte die Fertigstellung nicht. Er verstarb im Jahr 2012 kurz vor seinem 105. Geburtstag.

Die ARD hat in ihrer spannenden Doku-Reihe „Neues Leben für historische Gebäude“ den futuristischen Kugelbau beleuchtet: https://www.ardmediathek.de/video/dokus-und-reportagen-im-br/neues-leben-fuer-historische-gebaeude-2-3/br/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdC9GMjAyNFdPMDAyMzE1QTA

Hier finden Sie weitere interessante Fakten über das Bauprojekt: https://www.dhib.de/leistungen-referenzen/niemeyer-sphere-leipzig