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Komplexe Sanierung des Bayreuther Festspielhauses

Das Bayreuther Festspielhaus zählt zweifellos zu den berühmtesten seiner Art. Während zahllose Opernliebhaber sich an den Inszenierungen erfreuen, läuft im Hintergrund seit Jahren die umfassende Sanierung des historischen Gebäudes. Eine äußerst spannende Aufgabe für das Team der Firma dechant – insbesondere hinsichtlich der technischen Herangehensweise im Zuge der Sanierung des Risalits. 

Außenansicht des Risalits (Süd-Ost-Ecke) während des Abbruchs des alten Treppenhauses

Wenn im Zuge der Instandsetzung des weltberühmten Opernhauses in Bayreuth von einer Mammut-Aufgabe die Rede ist, dann ist dieser Begriff keinesfalls eine Übertreibung. Der Bedarf für die Generalsanierung des Festspielhauses gehe hierbei nach den Worten des ehemaligen Kunstministers Bernd Sibler „weit über eine bloße Fassadensanierung und bauliche Ertüchtigung der Gebäudehülle hinaus“. Dies spiegelt sich auch in der auf bis zu zehn Jahren angesetzten Bauzeit und der enormen Investitionssumme von etwa 180 Millionen Euro wider. Es gibt also Handlungsbedarf am Roten Hügel in Bayreuth, dem Ort, wo alljährlich die Richard-Wagner-Festspiele zelebriert werden.

Barrierefreiheit als Ziel der Maßnahme

Das dhib-Bauteam trägt die Verantwortung über den Abriss und anschließendem Neubau des Treppenhauses im bestehenden Süd-Ost Risalit des Festspielhauses – inklusive Unterkellerung. Ziel der Sanierung ist es, eine bestmögliche Barrierefreiheit im Zuschauersaal zu gewährleisten. Aus Gründen der Akustik, für welche das Bayreuther Opernhaus weltweit gerühmt wird, können behindertengerechte Zuschauerplätze lediglich in den Obergeschossen der Logen errichtet werden. Dies erfordert wiederum die Installation eines Aufzugs für Rollstuhlfahrer, welcher im Südostrisalit verwirklicht wird. Um eine zusätzliche Anbindung der Nachbargebäude über einen Tunnel zu ermöglichen, muss zudem ein Kellergeschoss errichtet werden.

Innenansicht des Risalits während des Einbaus der Unterfangungsstahlträger (rote Träger) von oben fotografiert mit Schutzdach

Eine durchaus komplexe Aufgabe, wissen Bauleiter Christoph Kolb und der angehende Jungbauleiter Colin Glass zu berichten. Bauarbeiten und laufender Festspielbetrieb seien nicht leicht zu vereinbaren. Folglich könne das dhib-Bauteam nur in Probe- und Inszenierungsfreien Zeiten arbeiten. Während der Festspiele muss die Baustelle geräumt sein.

Der Umstand, dass das Festspielhaus unter Denkmalschutz steht und im Laufe der Jahre immer wieder renoviert wurde, macht die Aufgabe besonders heikel. Eine Beschädigung der Außenfassade des Risalits sowie der angrenzenden Gebäudeteile soll dabei unter allen Umständen vermieden werden, was wiederum aktive Schutzmaßnahmen erfordert. Allein um den Abbruch des bestehenden Treppenhauskerns zu ermöglichen und gleichzeitig die Statik des Gebäudes zu gewährleisten, wurden zwei Gurte aus Stahlträgern und Zugstäben im oberen Gebäudeteil um die Fassade gelegt und am Festspielhaus verankert. Beim nachfolgenden Neubau des Kellers galt es, das bestehende Risalit auf Mikropfählen lastende Hydraulikpressen abzustützen. Hierfür wurden im ersten Arbeitsschritt allseitig um den Turm insgesamt 14 Mikropfähle gebohrt. Im Zuge des nachfolgenden Einbaus der Stahlkonstruktion (zur späteren Lastabtragung des Turms) hat das dhib-Bauteam insgesamt 24 Öffnungen hergestellt, durch welche die Stahlträger sorgsam hindurchgeführt wurden. Vier HEB 650 Unterfangungsträger nehmen hierbei die Last der Gebäudehülle über acht Hydraulikpressen auf, welche wiederum über Stahlstützen auf den Pfahlkopfbalken auflasten.

Der Einbau erwies sich aufgrund der engen Platzverhältnisse und der angrenzenden Gebäudeteile als äußerst knifflig, konnte letztlich aber in Millimeterarbeit erfolgreich umgesetzt werden. Was im konkreten Fall bedeutet, dass die Fassade bestmöglich erhalten werden konnte. Im nächsten Schritt hat man das Gebäude um wenige Millimeter angehoben, sodass die Last vollends auf die Mikropfähle wirkt.

„Die Phase während und kurz nach dem Abbruch des Sandsteinfundaments, auf welchem die Turmfassade ursprünglich gründete, waren sehr spannend. Hier konnte man zum ersten Mal beobachten, dass das Risalit förmlich über einem schwebt“, erläutert Colin Glaß. Zwischen Unterkante Turm und bestehender Oberkante Fußboden und Pflasterfläche befindet sich jetzt ein circa 10 Zentimeter hoher Zwischenraum, welcher am Ende der Bauphase kraftschlüssig vergossen wird.

Überwachung der Konstruktion in Echtzeit

Interessant: Während der Bauzeit wird die Stahlkonstruktion und das bestehende Risalit mittels Schlauchwagensystem vollumfänglich überwacht, um Setzungen frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls mit den Hydraulikpressen rechtzeitig gegenzusteuern. Die Kontrolle geschieht in Echtzeit und ist rund um die Uhr online einsehbar. Im Falle einer Setzung oder Ausdehnung ab 0,6 Millimeter wird ein Alarm ausgelöst, in dessen Folge alle Beteiligten eine sofortige Benachrichtigung per E-Mail erhalten.

Nach dem Einbau der Unterfangung konnte mit dem Abbruch der bestehenden Sandstein- und Stahlbetonfundamente unter dem Risalit begonnen werden. Um die Standsicherheit der Baugrube und den Arbeitsschutz zu sichern, wurde der Aushub nur in 1,00 Meter tiefen Abschnitten durchgeführt. Im Nachgang sind die Abbruchkanten mit Mikropfählen vernagelt und ein Verbau aus Spritzbeton hergestellt worden, ehe man mit der nächsten Aushubphase begann. Aufgrund des ohnehin begrenzten Arbeitsraums und der Stahlträgerunterfangung gestalteten sich die Aushub- und Abbrucharbeiten anfangs zeitintensiver als erwartet. Diesem Problem konnte in den letzten Aushubphasen durch den Einsatz eines Förderbands entgegengewirkt werden.

Weitere bauliche Herausforderungen gebe es viele aufzuzählen, beispielsweise:    

  • Abbruch des Gebäudeinneren bei gleichzeitigem Erhalt des äußeren Risalits
  • Erstellen der Mikrobohrpfähle im Gebäude und Keller des Festspielhauses
  • Unterkellerung des Risalits, während dieses auf der Stahlkonstruktion mittels Hydraulikpressen aufgelagert ist
  • Zugang während des Abbruchs und des Baus nur von oben mit dem Kran möglich
  • Beengte Verhältnisse durch die Stahlkonstruktion der Unterfangung auf einer kleinen Fläche von ca. 6,50 x 6,50 Meter
  • Erstellung der Baugrube in fünf jeweils einen Meter tiefen Abschnitten mit abwechselnden Aushub-/Spritzbetonverbau-/Vernaggelungsarbeiten
  • Im Monat Juni wurde die Gründung der Bodenplatte unter erschwerten Bedingungen erstellt. So durften etwa ab 11 Uhr keine lauten Arbeiten mehr stattfinden.

Noch voraussichtlich bis März 2023 wird das dhib-Team mit dem Neubau des Treppenhauses beschäftigt sein und dabei einen maßgeblichen Teil zur Sanierung des traditionsreichen Festspielhauses beitragen.

Auf diesem Bild gut sichtbar: Der Bestandsbau „schwebt“ auf Pressen aufgelagert und mit Stahlträgern abgefangen über der neu hergestellten und mit Spritzbeton gesicherten Baugrube für die Unterkellerung